Wiederaufnahme 9., 10., 12. + 13. Mai 2023 - 20 Uhr
Groteske Biografien aus der Vojvodina - mit Live Musik
ARTENNE
Plattform für Kunst und Kultur im Walgau
Kirchgasse 6,
6710 Nenzing
Karten: EUR 25,-- /erm. 20,--
Reservierung: Online
oder Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! / 0664 73574514
"Die Krähen funkelten wie Diamanten. Eine Krähe schaute mich ganz aus der Nähe an.
Plötzlich hatte ich das Gefühl, daß sie mehr über mich wußte, als ich über sie."
KATHARINA GRABHER - DIE PAPIERSAMMLERIN in der Erzählung "Brillant"
ALOIS GALEHR - Bühnenelemente
"Ich kann erzählen. Und ich erzähle gerne, und man hört mir auch gerne zu, die Hirten aus dem Járás, das ist unser Weideland, Salzboden, so weit man sieht; und auch die Bauern rundum haben es gern, wenn ich ihnen etwas erzähle. Ich kann aus allem eine Geschichte machen. Aus jedem Scheiß. Aus Allem. Außer aus meinem Leben. Das wollte mir irgendwie nie so richtig gelingen."
ANDREAS KOSEK - DER HIRTE in der Erzählung "Was, wenn wir hängen wie die Hunde"
LIVE MUSIK - Esther Amann-Potocan: Bratsche, Violine und Gesang
DRAMATURGIE & REGIE - Andreas Kosek
FOTOS: Alois Galehr, Walter Kegele, Mark Német & Andreas Kosek
Zwei Geschichten des Scheiterns, die jedoch mit ihren ruralen Metaphern und eigenwilligen Formulierungen, nicht zuletzt dank der "kongenialen Nachdichtungen" (Ilma Rakusa, NZZ) von György Buda und Géza Deréky, ein ungemein lebendiges, witziges und auch poetisches Bild vom Leben in der Batschka, jenem Landstrich Serbiens zwischen Donau, Theiss und ungarischer Grenze in der bis zu 20 verschiedenen Ethnien mit- und nebeneinander lebten und leben, vermitteln.
Tolnais faszinierende Gestaltungskraft, dieses "Netz, gesponnen aus den einfachsten, derbsten Tatsachen der empirischen Welt und aus den Fäden der geistigen Existenz" (Lajos Parti Nagy) gab uns die Gewissheit, dass diese Figuren aus seinem ersten ins Deutsche übersetzen Buch "Ich kritzelte das Akazienwäldchen in mein Heft" (edition per procura, Wien/Lana, 2. Auflage 2005) auf die Bühne gehören. In der Bar zu den "sechs Eutern" erzählt ein alternder Hirte von der russischen Gewehrkugel, die seit dem letzten Krieg in seinem Leib umher wandert und vom "Mösenmoos", dem er lange entsagen musste, während die schrullige Kartonagensammlerin über die vielseitige Verwertbarkeit von Aspirinschachteln philosophiert und:
"Ich stopfte meine Taschen voll mit Orangenseidenpapier, und sobald ich auf einen Maulwurfbrillanten stieß, wickelte ich ihn blitzschnell ein und steckte ihn in den Busen," gesteht die alte Frau, die im Frühling immer zum Spargelstechen nach Deutschland gefahren ist. "Ich glaube, ich wäre verrückt geworden, wenn ich nicht begonnen hätte, den Maulwurfbrillanten zu sammeln. Auch ich hätte die Werkzeuge weggeworfen [...] und wäre heulend, über die Haufen hüpfend gegen die diesigen, dunklen deutschen Berge gerannt, hüpfend, wie die von Wolfshunden gejagten Rehe."
"Wer von Literatur mehr erwartet als das Aufrufen der neuesten Kommunikationstechnologien, wird in Tolnais ästhetisch zwingender Verschränkung von wuchernder Erinnerung und elaborierter Beschreibungskunst freilich unschwer einen europäischen Autor von Rang erkennen. Hier werden mit Sprache überwältigende Bildwelten erschaffen, die - bildlich gesprochen - irgendwie zwischen der hochartifiziellen Archaik der Filme von Andrej Tarkovskij und der grausam menschenfernen Schönheit jener von Terrence Malick liegen." Klaus Nüchtern, Falter 17/2002
"Es sind Sagen vom Ende der Welt, geschlossen wie der Mythos. [...] Es ist nicht auszuhalten. Es ist sehr gut." Richard Reichensperger, Der Standard, 20.4.2002
"Tolnai intoniert keine Klage, sondern legt das Alltäglich-Ungeheuerliche seinen Figuren in den Mund ... Ungemein suggestiv entwirft Ottó Tolnai eine Welt, deren elementare Archaik ans Gewalttätige grenzt, ohne einen Rest von Poesie zu verleugnen." Ilma Rakusa, Neue Zürcher Zeitung, 18.7.2002