trans

Übersetzt von Karolina Bikont
Welturaufführung im Rahmen der Polnischen Theaterwochen

INSZENIERUNG und RAUM
Andreas Kosek
MIT
Katharina Grabher und Isabelle Uhl
MUSIK
Christian Skokan
KOSTÜME
Isanka Gruhko
LICHT
Dimitri Macek & Monika Vanova

PREMIERE: 10.12. 2003
bis 20.12.2003 täglich außer Montag
Beginn: 20 Uhr (am 20.12. bereits um 19 Uhr)
THEATER BRETT
1060, Münzwardeingasse 2
Wir danken Nika Brettschneider und Ludvik Kavin für die großzügige Unterstützung!

Ein Ringkampf "Staubtuch" gegen "Fettberg" auf mehreren Bewußtseinsebenen: Die Tochter begreift ihr Elend als eines, das von den Eltern, ja Großeltern, auf sie gekommen ist. An die dreißig Jahre sind vergangen, seit der Vater nach Westdeutschland geflohen ist und seit dreißig Jahren versucht die Mutter - selbst nur zu weiblichem Funktionieren erzogen - den Verlust des Vaters durch Verabreichung von Essen zu kompensieren.

Ein Stück über weibliche Sozialisation (im katholischen Polen und anderswo), ineffiziente Therapien, aber auch ein Statement zur bevorstehenden "heiligen" Festtagsvöllerei.

VATER: Weißt du, wem du ähnlich siehst? Einem Riesenmammut. Ich würde ja gerne wissen, mit wem dich deine Mutti gemacht hat.
MUTTER: Verstehst ohnehin kein Wort, auch wenn ich's dir hundertmal erzähle. Weil du nämlich noch nie was drinnen hattest. Höchstens vielleicht deinen eigenen Finger. Ich gebe ja zu, deine Wurstfinger sind groß und dick, das ist aber nicht dasselbe.
TOCHTER: Vor der Beerdigung solltest du mich noch als Kandidatin beim Guinessbuch der Rekorde anmelden: die schwerste Leiche oder der größte Haufen ranzigen, faulenden Fetts.

"In Polen ist eine paradoxe Situation zu beobachten" - sagt Rafal Wegrzyniak, Theaterkritiker - "wir haben junge, gute Regisseure, aber es werden keine jungen Texte inszeniert, die unsere Gegenwart spiegeln oder angehen würden, mit denen sich das Publikum identifizieren könnte. Was nicht heißt, es gibt in Polen keine junge Dramaturgie, denn Texte junger, unbekannter Autoren werden hin und wieder gedruckt. Ein gutes Beispiel dafür ist Dosenfleisch von Dagna Slepowronska, ein sehr guter Text, der seit Jahren darauf wartet, inszeniert zu werden."

Dagna Slepowronska wurde 1959 in Warschau geboren. Sie ist Autorin und Psychotherapeutin.

WWW.EVENTS.AT - Kritik von Franco Schedl

Das Spiel heißt "Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit" und zählt - neben unmäßigem Fernsehen und Essen - zu den Lieblingsbeschäftigungen der 35jährigen Tochter: sie führt nämlich einen Lebensprozess, der mit dem Todesurteil enden wird. Angeklagte ist zwar die Mutter, doch die Richterin mit dem Brotmesser als Richtschwert in Händen schreckt nicht davor zurück, auch gleich in die Rolle der Delinquentin zu schlüpfen, um für ihre Zeugung zu büßen. Das Verbrechen besteht darin, überhaupt ins Leben gerufen worden zu sein von einem Vater, der kurz darauf mit den Ersparnissen der Mutter durchbrannte und sie mit eben dieser zu einer krankmachenden Zweisamkeit verdammte, aus der sich keine der beiden Frauen lösen kann, auch nach über drei Jahrzehnten nicht.

Man merkt der Autorin die Herkunft aus einem psychotherapeutischen Umfeld an - und das ist nicht als Manko sondern als Kompliment gemeint: die Kenntnis derart festgefahrener Konstellationen aus der täglichen Praxis wird in jeder Szene deutlich (und um den Eindruck noch zu unterstreichen, tritt die Mutter-Figur manchmal aus ihrer Rolle, indem sie die Fall-Geschichte der Tochter klinisch kommentiert). Zugleich erleben wir auch eine vorbildlich scheiternde Therapie: die Tochter bleibt im Kindchen-Schema gefangen, von der Mutter durch entsprechendes Verhalten bestärkt.

Kaum zu glauben, dass dieses packende Psycho-Drama der Warschauer Autorin erst Jahre nach seiner Fertigstellung in Wien zur Welturaufführung gelangen konnte, nachdem 2001 auf dem Internationalen Symposium Junger Dramaturgie in Jelenia Góra ein Fragment daraus zu sehen war. Teatro caprile, dessen besonderes Interesse "Literaturen nördlich, östlich und südöstlich von Wien" gilt, holte nun zum krönenden Abschluss der "Polnischen Theaterwochen" im Theater Brett das Versäumnis nach. In Isabelle Uhl und Katharina Grabher hat das Stück seine Idealbesetzungen gefunden: kompromisslos bis zur Selbstaufgabe setzen sie das wahrlich grenzübergreifende Lehr-Stück einer familiären Misere in Szene.